Furiosa ist nicht der Mad-Max-Film, mit dem ich gerechnet hatte. Statt Action stehen die Charaktere im Vordergrund. Statt des Überlebenskampfs auf der Straße das Worldbuilding des postapokalyptischen Ödlands. Macht dieser Umstand das Prequel zu Fury Road damit automatisch schlechter?
Mitnichten. Der mittlerweile 79 Jahre alte Regisseur George Miller hat sich für die Origin Story seines aktuellen Lieblingscharakters selbst neue Maßstäbe gesetzt. Das Resultat ist ein wahrlich beeindruckendes Leinwandspektakel und mein persönliches Actionfilm-Highlight des Kino-Jahres 2024 – ja, schon jetzt. An das Meisterwerk Fury Road kommt Furiosa dann aber doch nicht ganz heran.
Um was geht es in Furiosa?
Wer Fury Road gesehen hat, kennt Furiosa. Die knallharte Anti-Heldin (hier von Anya Taylor-Joy anstelle von Charlize Theron dargestellt) bekommt jetzt ihr persönliches Prequel spendiert, das nicht nur die Vergangenheit von Furiosa beleuchtet, sondern auch völlig neue Facetten des postapokalyptischen Mad-Max-Ödlands.
Worum es genau geht? Die Handlung von Furiosa erstreckt sich über einen Zeitraum von 15 Jahren, begleitet die Titelheldin von Kindesbeinen an und erklärt, wie sie dort landete, wo Max Rockatansky sie in Fury Road antrifft.
Einen konkreten Eindruck von der Story bekommt ihr im offiziellen Trailer zu Furiosa:
Für wen ist Furiosa interessant?
Das Wichtigste vorweg: Furiosa grenzt sich ganz klar und unmissverständlich von Fury Road ab. Natürlich dreht sich der neue Film um einen altbekannten Charakter und stellt die direkte Vorgeschichte zum vorangegangenen Mad-Max-Film dar. Doch in Bezug auf die Story, die Struktur und das Pacing geht Furiosa in eine völlig andere Richtung.
Wer also beispielsweise erneut eine knapp zweistündige Verfolgungsjagd ohne Verschnaufpause erwartet, könnte enttäuscht werden. Stattdessen handelt es sich bei Furiosa um eine Heldenreise epischen Ausmaßes, die den unbeugsamen Willen der Titelhelden in Anbetracht zahlloser Rückschläge zelebriert.
Keine Sorge: Die Action, spektakuläre Verfolgungsjagden, halsbrecherische Stunts und eindrucksvolle Explosionen kommen dabei definitiv nicht zu kurz. Ganz im Gegenteil! George Miller zückt noch einmal völlig abgefahrene Action-Sequenzen aus dem Hut, die selbst jemanden, der Fury Road mehr als 40-mal gesehen hat (also mich) überraschen.
Man könnte meinen, nach Mad Max 4 hätte man alles gesehen, doch lasst euch von Furiosa guten Gewissen eines Besseren belehren. Obwohl es sich bei Dementus’ Gefolgschaft nur
um eine Biker-Gang handelt (Toecutter lässt grüßen) zieht George Miller mit Monster-Trucks, einem neuen War-Rig, Gleitschirmfliegern und Hot Rods nahezu alle Register.
Der Film selbst ist dabei klar und deutlich in unterschiedliche Kapitel und Abschnitte im Leben von Furiosa unterteilt. Diese Abschnitte variieren in ihrer Länge und ihrem Ausmaß, strapazieren ihr Dasein aber zu keinem Zeitpunkt über. Wenn man an dieser Struktur etwas kritisieren möchte, dann dass das eine oder andere Kapitel vielleicht sogar etwas zu knapp ausfällt – und das trotz einer Laufzeit von 148 Minuten.
Gelegentlich klappt der Übergang auch nicht ganz so geschmeidig, wie es sich Regisseur George Miller wahrscheinlich gewünscht hätte: Hin und wieder wirken die Zeitsprünge etwas ungelenkt oder beinahe schon unbeholfen. Die offensichtlichen Schwächen des Films lassen über diesen Umstand aber guten Gewissens hinweg blicken.
Noch ein Beispiel gefällig? Chris Hemsworth darf nach Bad Times at the El Royale und Spiderhead nochmal zeigen, wie sehr er in der Rolle eines Bösewichts aufgehen kann. Dementus ist gleichermaßen charismatisch wie grausam und reißt jede Szene an sich, selbst wenn er legendären Ödland-Schurken wie Immortan Joe gegenübersteht. Eine der besten, wenn nicht sogar die beste Rolle in der Karriere des Thor-Darstellers.
Stärken und Schwächen von Furiosa
Das hat uns an Furiosa gefallen
- Die Action: Furiosa übertrifft nicht die Action von Fury Road, versucht das aber auch erst gar nicht. Statt einer bloßen Kopie oder einem lauwarmen Aufguss bekommen wir einen Film, der sich in Bezug auf die inszenierte Bildgewalt mit seinem Vorgänger auf Augenhöhe befindet. Und das will bei Mad Max definitiv was heißen.
- Die
Helden
: Es lässt sich guten Gewissens darüber diskutieren, ob es im Ödland überhaupt so etwas wie Helden gibt. Wenn, dann gehört Furiosas Mutter Mary Jabassa (Charlee Fraseer) definitiv dazu. Abgesehen dafür bietet Furiosa eine ganze Palette spannender Figuren wie Furiosa persönlich oder den Mad-Max-Verschnitt Praetorian Jack (Tom Burke) in den Rängen von Immortan Joe. Und auch hinter Dementus verscharen sich zahlreiche interessanter Charaktere, die die Welt des Films komplex, vielschichtig und unheimlich interessant gestalten. - Der Schurke: Klar, Furiosa dreht sich primär um … Furiosa, doch Dementus lässt sich guten Gewissens als gleichwertiger Hauptcharakter sehen. Jede Szene mit Chris Hemsworths Bösewicht ist Spaß und Qual zugleich, denn der Schauspieler brilliert in seiner Performance als charismatisch-grausamer Gang-Anführer. Ein unvergesslicher Filmschurke, an den man seine Freude hat und sich dabei gleichzeitig ein bisschen schlecht fühlt.
- Das Worldbuilding: Furiosa hat mit knapp 30 Dialogen für Anya Taylor-Joy nicht viel zu sagen, das muss sie aber auch nicht. Stattdessen zieht George Miller alle Register der Bildsprache, um zu zeigen, wie sich Charaktere und die Welt über 15 Jahre hinweg entwickeln, ohne es auszusprechen. Furiosa ist ein Paradebeispiel dafür, wie Filmemacher auf überflüssige Exposition verzichten.
- Details, Details, Details: Egal, wohin euer Blick bei Furiosa fällt, es gibt immer was zu sehen und neue kleine Geschichten zu entdecken. Autos, Motoräder, Kostüme, Frisuren, Tattoos, Narben und vieles, vieles mehr - wirklich alles, was ihr in Furiosa seht, hat etwas zu bedeuten. Und das auch, wenn es nur für den Bruchteil einer Sekunde zu sehen gibt. Wer die Mad-Max-Saga kennt und liebt, kommt aus der Jagd nach Easter Eggs gar nicht mehr heraus.
Das hat uns an Furiosa nicht gefallen
- Das Pacing: Die Handlung von Furiosa erstreckt sich über einen Zeitraum von circa 15 Jahren und ist dabei klar und deutlich in mehrere Kapitel unterteil. Die Kapitel selbst behandeln nicht nur eine Szene, sondern ebenfalls einen gewissen Zeitraum. Hier wird es gelegentlich ziemlich holprig, da Übergänge mal sehr abrupt und unmittelbar wirken können oder es bestimmten Aspekten schlichtweg zu wenig Zeit eingeräumt wird. Kein Weltuntergang, aber definitiv ein Kratzer im Chromlack.
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